Bereits bei dem Bildnis des Oswolt Krel, dessen Kopf in ein Parallelogramm gefasst ist, deutet sich an, dass Dürer zur Gestaltbeschreibung auch ebene geometrische Grundfiguren einsetzte.
So wird der Kopf im Berliner Bildnis einer jungen Venezianerin von einem Quadrat umschlossen und ein Rechteck mit eingeschriebenem Oval bildet das Haupt der Mohrin Katherina in Florenz vor.
Das Kopfquadrat der Unbekannten aus Venedig teilt sich abschnittsweise eine Linie, welche von links oben zur Mitte der unteren Bildkante verläuft und dabei die Wange sowie das Kinn streift. Auffallend an diesem Porträt ist die Häufigkeit, mit der Dürer die als Pfeile dargestellten Zirkelschläge (im Radius des schwarz gestrichelten Innenkreises) zur Positionsbestimmung und Formenbildung einsetzte.
Bei der Mohrin ist das Viereck mit mehreren Schnittpunkten deutlich enger an das Liniengerüst aus neun Feldern gebunden. Ein Oval ist darin eingebettet und zeichnet ihre Gesichtsrundung und einen Teil der eng anliegenden Haube genau vor.
Verschiedene Gleichheitsbeziehungen ergänzen das Bildnis der Bediensteten eines königlichen Handelsvertreters, mit dem Dürer auf seiner niederländischen Reise (1520-21) zusammenkam.
So ist die Scheitelhöhe nach der Mundbreite bemessen und der Abstand der Augeninnenwinkel voneinander findet sich an verschiedenen Stellen wieder. Insofern sind Zweifel angebracht, ob hier -
wie vermutet - eine spontan erfasste, große Wirklichkeitsnähe vorliegt. Entsprechend stellte Giovanni Maria FARA fest, Dürers "preciso interesse non lascia spazio ad alcuna idealità".
[1]
Dürer hatte notiert, "der moren angesicht sind gar selten hübsch an zw sehen", es gebe wenig Wohlgestalt an ihren Körpern. [2]
Offenkundig überlagert nun eine kaum merkliche maßästhetische Korrektur den andersartigen physiognomischen Typ der dunkelhäutigen Frau, den Dürer neugierig studiert hatte. [3]
Einen Sonderfall stellt Dürers in Berlin bewahrte Zeichnung Der Baumeister Hieronymus von Augsburg dar, die zu den Vorarbeiten für das Altarbild Rosenkranzfest gehört. Sie entstand auf Dürers zweiter Italienreise im selben Jahr wie die Venezianerin, mit Betonung des Kreises.
Gleich mehrere davon nutzte Dürer als Konstruktionshilfe für das Bildnis des Architekten: Nicht nur der Oberkopf ist kreisrund geformt, sondern mit Kreisen gab der Künstler auch die Ausdehnung von Wange, Kinn und Nackenhaar vor und platzierte einen Augen- und einen Mundwinkel im Gesicht.
[1] "ricerca della verosimiglianza" - Giovanni Maria FARA, Kat.Nr. I.8 "Albrecht Dürer, La mora Caterina, 1521",
in: Ausst.Kat. "Dürer e l'Italia", Scuderie del Quirinale / Rom, 10. März - 10. Juni 2007, hrsg. v. Kristina Herrmann-Fiore, Mailand 2007, S. 81-87,
hier: S. 117.
[2] Hans RUPPRICH, Dürer. Schriftlicher Nachlass, Bd. 2, Berlin 1966, S. 459.
[3] FARA, La mora Caterina, S. 117.